Jan 20, 2021
Wer kennt ihn nicht, diesen mehr oder minder antiquierten Satz aus der kirchlichen Eheschließung „Bis dass der Tod uns scheidet“? Dieses Gelöbnis stammt aus einer Zeit, in der die Menschen eine Lebenserwartung von vierzig bis fünfzig Jahren hatten und dieser Treueschwur sich demnach auf eine Zeitspanne von zwanzig bis dreißig Jahren bezog. Heute ist das anders. Nicht nur, dass wir deutlich älter werden, auch das mit der Eheschließung für die Ewigkeit ist längst nicht mehr Gang und Gäbe.
Neulich las ich einen interessanten Spruch von Lars Amend: „Glaube an die wahre Liebe, auch wenn sie nicht für immer hält.“ Zugegebenermaßen musste ich eine Weile darüber nachdenken, ob ich diesem zustimmen kann oder nicht. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Paare – ob befreundete oder welche, die ich in meiner Praxis kennenlernte – fielen mir ein, zu denen dieser Spruch bestens passt.
Das Leben ist schneller, bunter, vielseitiger und in jeglicher Hinsicht auch freier als noch vor 50, 60, 70 Jahren.
Diese Schnelllebigkeit spiegelt sich auch in Beziehungen. Die Scheidungsraten sind enorm gestiegen, da oft bei den kleinsten Herausforderungen die Partnerschaft beendet wird. Früher, so habe ich jedenfalls das Gefühl, wurde stärker um eine Beziehung gekämpft. Oder aber die Menschen waren nicht so sehr auf Perfektionismus aus, wie sie es heute sind. Variante drei, die ebenfalls wahrscheinlich ist: sie haben das unzufrieden oder sogar unglücklich sein eher hingenommen als sie es heute tun. Vermutlich tragen alle drei Aspekte einen Funken Wahrheit in sich. Doch darum soll es heute nicht gehen.
Vielmehr möchte ich hinterfragen, ob die wahre Liebe auf Zeit tatsächlich existiert. Ja unser Leben ist bunter und schnelllebiger als zuvor. Neben den Beziehungen spiegelt sich das auch in unserem Job, den Hobbys, den Freundschaften und Leidenschaften wider. Wir sind mit Mitte vierzig nicht nur einfach zwanzig Jahre älter als in unseren Zwanzigern, oft haben sich unsere Charaktere so stark gewandelt, dass wir kaum noch etwas mit unserem Ich von damals gemein haben. Und nein, das ist nicht schlimm und sicher auch der großen Bewegung der Selbstverwirklichung geschuldet. Die zig Möglichkeiten uns zu entfalten, neue Dinge zu entdecken, fremde Länder zu bereisen, neue Kulturen kennenzulernen haben Einfluss auf uns und unsere Persönlichkeit.
Übertragen wir dies auf unsere Beziehungen, gleicht es eher einer Ausnahme, wenn sich unser Partner in die gleiche Richtung entwickelt und die gemeinsamen Interessen aus früheren Jahren die gleichen bleiben.
Natürlich gibt es auch Paare, deren Charakter sich ähnlich weiterentwickeln oder aber auch konträr, die jedoch trotzdem noch glücklich sind. Auch wenn das eher die Ausnahme ist.
Doch bedeutet das, dass die große Liebe an Wert verliert, nur weil sie nicht für immer hält? Ich sage ganz klar nein! Warum auch? Die schöne gemeinsame Zeit, der wertvolle Mensch, den wir in unserem Partner sehen, die erfüllenden Liebe wird nicht geschmälert, nur weil sie endlich ist. Ganz im Gegenteil. Vielleicht schätzen wir sie noch mehr im Wissen dieser Endlichkeit.
Ich wünsche allen Paaren, dass sie auf Lebenszeit glücklich mit ihrem Partner sind. Und allen anderen wünsche ich, dass sie eine endende Liebe als wertvollen Schatz in ihrer Erinnerung behalten. Denn die grundsätzliche Liebe und Wertschätzung auf einer übergeordneten Ebene kann ja bleiben, auch wenn die Beziehung endet.
Und auch das ist eine Form der Ewigkeit.