Feb 11, 2021
Wer in einer toxischen Beziehung war, kann sich glücklich schätzen, wenn er diese erkannt, beendet und irgendwann überwunden hat. Der Weg dorthin ist oft lang, zäh und schmerzvoll. Denn leider ist eine toxische Beziehung zu erkennen und diese dann auch zu beenden nicht gleichbedeutend. Die Mechanismen und Strukturen, die psychologisch ablaufen, hindern uns trotz seelischer, psychischer und emotionaler Schmerzen oft am Gehen.
Je nach Intensität oder Dauer einer solch ungesunden Beziehung bedarf es professioneller Hilfe, um das eigene Sein nebst dem Selbstwert wiederherzustellen. Die verschiedenen Phasen einer toxischen Beziehung und deren Ende habe ich bereits in anderen Artikeln ausführlich erläutert.
Heute stellen wir uns die Frage, warum der Thrill, den eine toxische Beziehung mit sich bringt, uns oft noch nach Jahren wie ein Magnet anzieht. Was meine ich mit Thrill? Ich verstehe darunter das zwiespältige Gefühlserlebnis, das sich zwischen negativen und positiven Emotionen wie Angst und Lust, Leiden und Freuen oder Hoffen und Bangen hin und her bewegt.
Ist eine solche Beziehung beendet und der toxische Liebeskummer überwunden, sind wir zunächst überglücklich, dass dieser Thrill vorüber ist. Die Ruhe, der Seelenfrieden, das Gefühl, wieder ein normales Leben zu führen - eine Wohltat für Körper, Geist und Seele. Einige sagen, es fühle sich an wie neu geboren. Und so könnte man denken: einmal und nie wieder.
Doch weit gefehlt. Denn weit über die Hälfte meiner Klienten drehen mindestens zwei bis drei Runden im toxischen Karussell. Doch warum ist das so? Oft liegt es an nicht aufgearbeiteten, kindlichen Erlebnissen, die ihre Fühler bis in unser Erwachsenendasein ausstrecken. Doch selbst wenn wir viel an und mit uns gearbeitet und unsere alten Muster aufgelöst haben, kann uns die Sehnsucht nach dem/der toxischen Ex oder einer offensichtlich ungesunden neuen Verbindung ereilen. Das klingt erst mal frustrierend und ist es auch.
Doch schauen wir genau hin, lässt sich auch dahinter ein Muster erkennen. Diese Sehnsucht flammt meist dann auf, wenn wir uns bspw. schlecht fühlen, wenn eine neue herausfordernde Aufgabe auf uns wartet oder wenn wir einer unbekannten Situation gegenüberstehen. Immer wenn wir uns auf irgendeine Art unsicher fühlen, rutschen wir ganz leicht in unseren kindlichen Modus. Dann wird aus einem 50-jährigen Mann, ein 5-jähriger Junge und die 40-jährige Frau ist plötzlich wieder drei Jahre alt. Und genau dann suchen wir dort nach Halt, wo er sicher nicht zu finden ist. In alten, ungesunden Mustern, aus denen eben solche Verbindungen entstehen.
Sind wir uns darüber nicht bewusst, fahren wir endlose Runden in unserem toxischen Karussell.
Eine Zeit wie wir sie gerade erleben, die geprägt ist von Unsicherheit, Angst und Ungewissheit, ist ein perfekter Nährboden für alte Muster und Verhaltensweisen. Selbst wenn wir denken, dass diese schön längst überwunden seien. Fallen wir in diese zurück, mag es sich im ersten Moment gut und vertraut anfühlen. Doch dieses Gefühl ist nicht von langer Dauer. Und obwohl wir es wissen, weil wir es im Zweifel schon zigmal erlebt haben, scheint uns dies doch leichter zu fallen, als den neuen, unbekannten aber deutlich gesünderen Weg zu gehen.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir sichere Wegweiser auf diesem Weg platzieren. Das können gute Freunde, die Familie, hilfreiche Bücher, praktizierte Selbstliebe oder Achtsamkeit sein. Wichtig ist nur, dass wir welche platzieren, um im Bedarf darauf zurückgreifen zu können.