Sep 02, 2020
„Was vor uns liegt und was hinter uns liegt ist nichts im Vergleich zu dem, was in uns liegt. Und wenn wir das, was in uns liegt nach außen in die Welt tragen, geschehen Wunder.“
Was dieses Zitat von Henry David Thoreau mit Beziehungen zu tun hat? Viel, sehr viel sogar.
Nicht nur in meiner Praxis, auch bei Freunden und sogar bei Paaren in der Öffentlichkeit lässt sich ein Beziehungs-Phänomen immer wieder beobachten: die Täter-Opfer Konstellation.
Beide Partner fühlen sich als „Opfer“. Der eine, weil sein Partner bspw. narzisstische Züge hat, der andere, weil ihm sein Gegenüber zu anhänglich ist. Kurz gesagt sehen sich beide als Opfer, die Schuld beim Partner bzw. „Täter“ suchend.
Diese Täter-Opfer-Konstellation hat über einen sehr langen Zeitraum gut funktioniert, doch nun gerät sie ins Wanken. Ob es an der jetzigen Zeit, am Bewusstsein der Menschen, an Corona oder an etwas anderem liegt, können wir bzw. ich nur erahnen.
Doch was ich mit großer Sicherheit sagen kann ist, dass an diesem Konzept gerade kräftig gerüttelt wird und ein neues zu Tage tritt. Eines, bei dem wir uns nicht mehr als Opfer, sondern als Schöpfer unserer Realität und damit unserer Welt sehen. Eines, bei dem wir die volle Verantwortung für unser Leben übernehmen - im Guten wie im Schlechten. Das mag nun sehr spirituell klingen, ist es aber nicht. Dieses Konzept ist viel bodenständiger und greifbarer als wir denken.
Bleiben wir beim Beispiel Beziehung. Jeder von uns hat die Möglichkeit, eine Partnerschaft zu beenden, wenn sie uns nicht mehr guttut. Ich sage nicht, dass es einfach ist, aber wir können es tun. Dass wir oft hunderte Gründe finden, warum es nicht geht, steht auf einem anderen Blatt. Aber brechen wir alle Aspekte, die wir gerne auch als Ausreden vorschieben, einmal herunter, werden wir sehen, dass wir die Wahl haben. Natürlich kann es sein, dass wir Unterstützung von außen benötigen. Die Erkenntnis über diese Macht und die letztendliche Entscheidung muss jedoch im Innen fallen.
Das Konzept der eigenen Schöpferkraft lässt sich natürlich auf alle Lebensbereiche ausweiten. Nehmen wir das Thema Selbstliebe. Behandle ich mich selbst schlecht, wird mir dies im außen ebenfalls wiederfahren. Es werden Menschen in mein Leben treten, die mich ebenfalls lieblos behandeln. Und nun kommt der entscheidende Punkt. Sehe ich mich nun wieder als Opfer und sie als Täter, verharre ich im alten Kreislauf. Nehme ich diese klare Botschaft jedoch an und schaue, welche Glaubenssätze, alte Denkmuster oder emotionale Wunden sich hinter meiner mangelnden Selbstliebe verstecken, kann ich diese aufdecken und dadurch heilen. Zudem ist es wichtig, mehr in unser Herz zu kommen. Das bedeutet nicht, dass wir uns alles gefallen lassen sollen. Ganz im Gegenteil. Im Sinne der Selbstliebe gilt es, klare Grenzen zu setzen. Nicht mit der Brechstange, sondern in aller Ruhe und Gelassenheit, aber mit einer liebevollen Beharrlichkeit.
Die Konsequenz daraus wird sein, dass nicht alle bisherigen Wegbegleiter diesen Weg mit uns gehen. Doch auch das ist in Ordnung, denn sie sind gleichermaßen Schöpfer ihrer eigenen Welt. Im Gegenzug werden wir aber neue Menschen in unser Leben ziehen, die uns auf ihre ganz eigene Art und auf einer anderen Ebene bereichern. Und dann werden wir denken: Was für ein Wunder. Doch in Wirklichkeit haben wir uns das selbst erschaffen.